
Burnout: Das Mitarbeitergespräch als erstes Auffangbecken
Das erste deutsche Burnout-Ranking liefert mit zehntausenden psychisch beanspruchten Mitarbeitern in den DAX-Konzernen alarmierende Zahlen und wendet die aktuelle Diskussion erneut den Konzepten für betriebliche Präventionsmaßnahmen zu. Doch so schnell Unternehmen ihre Mitarbeiter mit betrieblichem Gesundheitsmanagement und flexibleren Arbeitszeitmodellen vor psychischen Beanspruchungen schützen möchten, werden diejenigen, die die nun in erster Instanz mit den Betroffenen umgehen müssen, oft zu wenig berücksichtigt. Denn bis die neuen Maßnahmen greifen, sind die an Burnout erkrankten Mitarbeiter auch jetzt schon Teil der bestehenden Belegschaft und obliegen der Verantwortung ihrer Führungskräfte. Was den Umgang der Führungskräfte mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern angeht, so scheint es dort allerdings erhebliche Defizite zu geben. Laut einer Studie (2011) der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) sind drei Viertel der befragten Personaler der Ansicht, dass die Führungskräfte in ihrem Unternehmen nur unzureichend darauf vorbereitet sind, psychische Beanspruchung zu erkennen. 87 Prozent der Befragten beobachten bei Führungskräften eine Unsicherheit im adäquaten Umgang mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern. Doch insbesondere das erste Gespräch mit dem Betroffenen über seine Belastung erfordert Sensibilität und gute Vorbereitung. Was Führungskräfte bei Planung und Durchführung eines solchen Gesprächs beachten sollten, hat die DGFP in sechs Orientierungsschritten zusammengestellt:
Sechs Orientierungsschritte für Führungskräfte bei der Gesprächsführung mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern
1. Beobachten Sie Veränderungen bei Ihren Mitarbeitern
Zur Fürsorge und Prävention, aber auch zur Vorbereitung auf ein Gespräch im Fall einer akuten psychischen Beanspruchung gehört, dass Sie die Beanspruchungsindikatoren erkennen und benennen können. Es geht darum, den Blick auf den Mitarbeiter zu schärfen, ohne vorschnell über ihn bzw. die Situation zu urteilen. Wie sieht die aktuelle Belastungssituation des Mitarbeiters aus? Können Sie eine dauerhafte oder plötzliche Verhaltensänderung des Mitarbeiters feststellen? Oder sind Variationen in seinem Arbeits- oder Sozialverhalten zu beobachten?
2. Suchen Sie das Gesprächs mit dem psychisch beanspruchten Mitarbeiter
Falls Sie davon ausgehen, dass der Mitarbeiter psychisch beansprucht ist, handeln Sie relativ zeitnah und suchen in einer geschützten Räumlichkeit das Gespräch mit dem Mitarbeiter.
3. Vergegenwärtigen Sie sich vorab die Ziele des Gesprächs
Gehen Sie mit klaren Absichten in das Gespräch. Ihre Intentionen sollten folgende sein:
Stellen Sie zunächst die beanstandete Situation, Sorge- und Unterstützungsbereitschaft dar. Häufig folgt eine Ursachenanalyse für das veränderte Verhalten, die jedoch rein auf das berufliche Umfeld begrenzt sein sollte. Sinnvoll ist es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die den Mitarbeiter entlasten und unterstützen.
Vermeiden Sie Einführen von therapeutischen Konsequenzen und distanzieren sich davon, dem betroffenen Mitarbeiter die eigene Sicht aufdrängen zu wollen. Stattdessen sollten Sie eine respektvolle Haltung gegenüber der Perspektive des Mitarbeiters einnehmen. Dennoch ist es unabdingbar, die Notwendigkeit einer Veränderung zu betonen.
4. Verdeutlichen Sie den Anlass des Gesprächs
Unmittelbar zu Beginn des Gesprächs ist es ratsam, den Anlass des Gesprächs klar zur Sprache zu bringen. Machen Sie Ihren Mitarbeiter auf beobachtete Veränderungen in seiner Arbeitsleistung, seinem Sozialverhalten und seinem persönlichen Auftreten aufmerksam. Wichtig hier bei ist: Signalisieren Sie Ihrem Gegenüber eine annehmende Haltung, damit dieser die Möglichkeit erhält, sich zu öffnen.
5. Teilen Sie Ihr Gespräch in vier Gesprächsphasen
Während des Gesprächs ist es wichtig, die Zeit und Struktur im Auge zu behalten. Hilfreich ist eine Vierteilung der Konversation. Die Eröffnungsphase sollte einen Umfang von fünf Minuten nicht überschreiten. Die Analyse und Ursachenklärung mit einer Dauer von 20 Minuten, stellt das Kernstück des Gesprächs dar. Das Finden von Lösungen sowie der Gesprächsabschluss sollten jeweils zehn Minuten in Anspruch nehmen. Zu empfehlen ist die Beachtung folgender Hinweise:
1) Gesprächseröffnung:
- Schalten Sie Ihr Handy aus, um Störquellen zu vermeiden
- Verschieben Sie das Treffen bei starker Arbeitsverdichtung und Zeitbelastung
- Gespräch auf gleicher Augenhöhe und gleicher Sitzposition
- Federn Sie herunterziehende Gedanken durch klare Zeiteinteilung ab
- Formulieren Sie Ihre Aussagen eindeutig, um Missverständnisse vorzubeugen
- Während des ganzen Gesprächs: Mitfühlgefühl zeigen, aber kein Mitleid zulassen
2) Analyse und Ursachenklärung benennen
- Mitarbeiter ausreden lassen
- Aktives Zuhören und Fragen stellen
- Keine vorschnellen Lösungen und Entscheidungen anbieten
3) Suche nach Lösungswegen
- Wägen Sie eventuelle Individuallösungen mit betrieblichen Möglichkeiten ab
- Halten Sie Ihren Mitarbeiter zum Finden eigener Lösungen an
- Fassen Sie den Lösungsweg zusammen
4) Gesprächsabschluss und Vereinbarung
- Äußern Sie verbindliche und eindeutige Formulierungen
- Stellen Sie ein gemeinsames Verständnis über die vereinbarten Ziele sicher
- Betonen Sie die Vertraulichkeit des Gesprächs
- Sprechen Sie Ihren Dank für die Offenheit aus
6. Behalten Sie die Situation im Auge
Es ist von hoher Relevanz die Ereignisse nach dem ersten Gespräch im Auge zu behalten. Können Sie nach dem gemeinsam vereinbartem Zeitrahmen Veränderungen im Verhalten Ihres Mitarbeiters feststellen? Wurden die Zielvereinbarungen erreicht? Falls ja, ist ein Nachgespräch ratsam. Falls die Zielvereinbarungen nicht umgesetzt wurden, ist ein Folgegespräch, bei dem eventuell Experten anwesend sind, angebracht. Fragen Sie während dieses Gesprächs gezielt nach den Gründen für die Nichterreichung der gemeinsam gesetzten Ziele. Legen Sie im nächsten Schritt gemeinsam mit Ihrem Mitarbeiter neue Ziele fest. Sind diese neuen Ziele nach einer gemeinsam definierten Zeit erneut nicht erreicht, muss dringend eine Problemlösung unter Mitwirkung von internen oder externen Experten eingeleitet werden.

DGFP Studie zur psychischen Beanspruchung von Mitarbeitern:
Psychisch beanspruchte Mitarbeiter in fast jedem Unternehmen
In 88 Prozent deutscher Unternehmen bestätigen Personalmanager eine psychische Beanspruchung der Mitarbeiter. 85 Prozent verzeichneten dadurch bedingt in den vergangen zwei Jahren einen Anstieg der betrieblichen Fehlzeitenquote. Dies ermittelte die Deutsche Gesellschaft für Personalführung in einer Studie.
Die Befragung zeigt, dass sich die allgemeine Entwicklung einer Zunahme psychischer Erkrankungen mehr und mehr in den Unternehmen niederschlägt – und zwar nicht nur in Form psychischer Erkrankungen, sondern auch in Form psychischer Beanspruchungen als deren mögliche Vorstufe.
88 Prozent der befragten Personalmanager berichten, dass es in ihrem Unternehmen psychisch beanspruchte Mitarbeiter mit auffälligem Arbeitsverhalten gibt. Besonders betroffen sind Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing/ Vertrieb, Produktion und Kundencenter/ Service. In 85 Prozent der Unternehmen haben die betrieblichen Fehlzeiten aufgrund psychischer Beanspruchung in den letzten zwei Jahren zugenommen.
Ursächliche Faktoren
Frage nach den Ursachen zeigen sich Unterschiede zwischen Führungskräften und Mitarbeitern: Während für die psychische Beanspruchung von Führungskräften vor allem starker Erfolgsdruck (87 Prozent), Zeitdruck (68 Prozent),ständige Erreichbarkeit (63 Prozent) und fehlender Ausgleich in der Freizeit (62 Prozent) verantwortlich gemacht werden, nennen die befragten Personalmanager als Ursache für die psychische Beanspruchung von Mitarbeitern primär private Belastungen und Probleme (78 Prozent), Konflikte mit Führungskräften und Kollegen (76 Prozent), Zeitdruck (70 Prozent) und Arbeitsverdichtung (63 Prozent).
Umgang mit psychischer Beanspruchung in den Unternehmen
Was den Umgang der Führungskräfte mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern angeht, so scheint es dort erhebliche Defizite zu geben. 76 Prozent der befragten Personalmanagern sind der Ansicht, dass die Führungskräfte in ihrem Unternehmen nur unzureichend darauf vorbereitet sind, psychische Beanspruchung zu erkennen. 87 Prozent der Befragten beobachten, dass die Führungskräfte unsicher sind, wie sie sich im Umgang mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern adäquat verhalten. 56 Prozent der befragten Personalmanager haben den Eindruck, dass die Führungskräfte die psychische Beanspruchung ihrer Mitarbeiter tabuisieren.