Chlamydien machen Frauen unfruchtbar
Viele Teenager sind von dem Erreger befallen - Infektion verläuft häufig ohne Symptome
In Deutschland verbreitet sich unter Teenagern ein Bakterium: Chlamydia trachomatis. Das Tückische daran ist, dass eine solche Infektion zwar meist keine oder kaum Symptome auslöst, aber bei den betroffenen Frauen häufig zu Unfruchtbarkeit führt. Nach den Ergebnissen einer Erhebung aus dem Jahre 2004 in Berlin ist zum Beispiel jedes zehnte Mädchen im Alter von 17 Jahren von dem Erreger befallen.
Die Chlamydien werden beim Geschlechtsverkehr übertragen und nisten sich bevorzugt in der Genitalschleimhaut junger Mädchen ein. Von dort können sie über die Gebärmutter weiter nach oben wandern und sich bis in die Eileiter ausbreiten. Verkleben die Eileiter, ist die Wegstrecke, auf der sich männlicher Samen und weibliche Eizellen begegnen können, versperrt – eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege wird damit unmöglich.
Schätzungsweise gebe es in Deutschland bereits 100 000 Frauen, die wegen einer abgelaufenen Chlamydien-Infektion keine Kinder bekommen können, sagt Dr. Gisela Gille von der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau e.V. (ÄGGF) in Lüneburg. Genaues weiß man nicht, denn für eine groß angelegte Studie fehle offenbar der politische Wille, kritisiert die Ärztin. Obwohl Studien im Ausland eine sehr rasche Zunahme der Infektionszahlen anzeigen, und während etwa in den Niederlanden bereits große Aufklärungskampagnen stattfinden oder wie in den USA jährliche Screeninguntersuchungen angeboten werden, herrscht in Deutschland noch tiefes Schweigen.
Das hat Folgen! Teenager wissen so gut wie nichts über die am häufigsten sexuell übertragbare Krankheit, wie Gille und ihre Kolleginnen in einer Untersuchung bei 266 14- bis 17-jährigen Mädchen an 92 Berliner Schulen festgestellt haben. Acht von zehn Teenagern haben noch nie etwas von Chlamydien gehört, 94 Prozent wissen nichts über die hohe Verbreitung der Infektion bei Jugendlichen. Kondome würden vor Chlamydien und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie wiederholten Pilzinfektionen oder Genitalherpes schützen.
Kondome schützen – nicht nur vor AidsKondome werden von Jugendlichen mit der Aids-Problematik und der Schwangerschaftsverhütung assoziiert. Aids wird allerdings als Erwachsenen- und Randgruppen-Problem gesehen. Für die Verhütung wird eher auf die Pille zurückgegriffen. Gille kritisiert, dass über die Medien und in der sexuellen Aufklärung Jugendlichen in erster Linie der Spaßfaktor Sex vermittelt wird. Zwar sei der in der Vergangenheit mühsam erkämpfte liberale Umgang mit Sexualität zu begrüßen, jedoch müsse klar sein, dass dies verschiedenen Keimen Tür und Tor geöffnet hat. Dies deutlich auszusprechen dürfe aber nicht mit dem Verdacht abgetan werden, die Sexualität sterilisieren zu wollen oder einer restriktiven Sexualmoral Vorschub leisten zu wollen.
Chlamydieninfektionen seien in Deutschland in dreierlei Hinsicht unbekannt, hieß es kürzlich auch im „Deutschen Ärzteblatt“ (2005; 102:A 2021-2025):
- die Krankheit selbst ist in der Bevölkerung unbekannt; - die Betroffenen wissen meist nichts von ihrer Infektion, weil kaum Symptome auftreten; - es ist unklar, wie weit die Infektion bereits verbreitet ist.
Die ÄGGF fordert deshalb ebenso wie viele Frauenärzte, Mikrobiologen und Hygieniker ein Screening junger Mädchen auf Chlamydien, um das Ausmaß der Infektionsverbreitung in der Bundesrepublik festzustellen. Zudem müsse die Problematik Teil der Sexualerziehung werden – eine explizit ärztliche Aufgabe, wie Gille findet. Dazu sei es notwendig, an die Schulen zu gehen, um insbesondere Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen zu erreichen, die besonders gefährdet sind. Gille hat aber auch nichts gegen Aufklärung auf populäre Art. So sei das Thema Chlamydien in einer Folge der Kultfernsehserie „Sex and the City“ sehr realistisch vorgestellt worden mit einem hohen Erinnerungswert bei den Jugendlichen.
Basisinformation zum Thema:
Chlamydia trachomatis gilt in Europa und den USA als das am häufigsten sexuell übertragene Bakterium und als Hauptverursacher der infektionsbedingten Sterilität. Betroffen sind hauptsächlich sehr junge Mädchen, im dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Infektionsrate wieder ab. Das hat offenbar anatomische und hormonelle Gründe, weshalb die Keime bei jungen Mädchen den Genitaltrakt leicht passieren können. Zudem ist dort die lokale Immunabwehr noch nicht vollständig. Rauchen vermindert die Abwehrleistung zusätzlich. Die Chlamydien leben innerhalb der befallenen Zellen und persistieren dort jahrelang. Drei viertel der betroffenen Frauen bemerken die Symptome nicht oder kaum. Es können leichte Unterbauchbeschwerden, Ausfluss und Zwischenblutungen auftreten. |